In Berlin studierte er an der Universität und an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, wo er 1897 zum Rabbiner ordiniert wurde. Sein 1905 veröffentlichtes Buch „Das Wesen des Judentums“ brachte ihm weitreichende Bekanntheit und Anerkennung. 1912 begann Baeck seine Arbeit als Rabbiner der Gemeinde in Berlin und kurze Zeit später wurde er auch Dozent an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums.
Während des Ersten Weltkrieges von 1914 bis 1918 diente Baeck als Feldrabbiner in der Deutschen Kaiserlichen Armee. Seine Erfahrungen und Beobachtungen während dieser Zeit hatten einen tiefgreifenden Einfluss auf seine spätere Arbeit und Theologie. Nach der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 übernahm Baeck die Präsidentschaft der Reichsvertretung der Deutschen Juden, einer Dachorganisation, die das deutsche Judentum von 1933 bis 1938 vereinte. Nach der Auflösung der Reichsvertretung 1939 leitete Baeck die von den Nazis kontrollierte Reichsvereinigung bis zu seiner Deportation nach Theresienstadt am 27. Januar 1943.
Nach dem zweiten Weltkrieg zog Baeck nach Großbritannien, wo seine Tochter Ruth lebte. Nach 1945 lehrte er u.a. am Hebrew Union College in den Vereinigten Staaten und wurde schließlich Vorsitzender des World Union for Progressive Judaism. In dieser Zeit veröffentlichte er sein zweites Hauptwerk „This People Israel“, das er teilweise schon während seiner Gefangenschaft durch die Nazis verfasste. Leo Baeck verstarb im Jahr 1956 in London.
Baecks Bibliotheken
Baeck war nicht nur ein herausragender Gelehrter, sondern auch ein leidenschaftlicher Büchersammler. Seine private Bibliothek umfasste eine beeindruckende Sammlung von über 4.000 Bänden, die sein breites Spektrum an Interessen und Wissen widerspiegelte. Diese Sammlung war jedoch mehr als nur eine Ansammlung von Büchern; sie war ein Spiegel seiner Forschungsinteressen und seines akademischen Netzwerks.
Baeck war außerdem Mitglied eines Clubs für Bücherliebhaber in Berlin und pflegte eine enge Freundschaft mit Jenny Wilde, der Bibliothekarin der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Baeck war bekannt dafür, dass er der Hochschulbibliothek regelmäßig spendete. Er erinnerte sich wohl daran, wie wichtig diese öffentlich zugängliche Bibliothek für ihn war, als er noch mittelloser Student gewesen war. Der Raub erst der Hochschulbibliothek und dann auch der Diebstahl seiner privaten Sammlung, als Baeck nach Theresienstadt deportiert wurde, waren ein schwerer Schlag für ihn. Etwa 40 Bücher aus seiner privaten Sammlung wurden nach dem Krieg wiedergefunden, das war alles, was von den 4.000 Büchern übrig geblieben war.
Von den ursprünglich 60.000 Büchern der Hochschulbibliothek hatten jedoch mehr Bücher den Krieg überstanden und es entspann sich eine Debatte über die Zukunft dieser wieder aufgetauchten Bücher. Da die Hochschule nicht mehr bestand, wollte zum Beispiel die Hebräische Universität in Jerusalem diese Bücher nach Jerusalem bringen. Baeck hingegen setzte sich dafür ein, dass sie nach England geschickt werden sollten, wo viele deutsche Juden, einschließlich ihm selbst, Zuflucht gefunden hatten. Kurz vor seinem Tod wurde ein College in England gegründet, das sich als Nachfolger der Hochschule betrachtete und nach Baecks Tod in Leo Baeck College umbenannt wurde. Das College verwahrt heute sowohl Bücher aus der ehemaligen Hochschulbibliothek als auch Teile von Baecks zweiter privater Bibliothek, die seine Tochter dem College vermachte.
“Wie der Mensch ist, so ist seine Wissenschaft.”