Nachdem er seine akademische Ausbildung am Breslauer Rabbinerseminar unter der Anleitung von Israel Lewy, einem renommierten Talmudforscher, absolviert hatte, erhielt er 1898 seinen Doktortitel an der Universität Breslau und wurde 1899 zum Rabbiner ordiniert.
Elbogens Karriere begann mit einer Lehrtätigkeit im Bereich der biblischen Exegese und der jüdischen Geschichte am Collegio Rabbinico Italiano in Florenz. Im Jahr 1902 wurde er dann als Privatdozent an die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin berufen. Dort unterrichtete er in verschiedenen Fachbereichen und war viele Jahre lang in leitender Funktion tätig. Elbogen erfreute sich großer Beliebtheit unter den Studierenden, nicht zuletzt da er als einziger Dozent Exkursionen veranstaltete. Er pflegte auch eine enge Freundschaft mit Kollegin Jenny Wilde.
Sein wissenschaftliches Hauptinteresse galt der jüdischen Geschichte und der Geschichte der jüdischen Liturgie. Sein bedeutendstes Werk, „Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung“, das erstmals 1913 veröffentlicht wurde, ist eine umfassende Studie über die jüdische Liturgie und gilt als die gründlichste akademische Abhandlung zu diesem Thema.
Ismar Elbogens Widerstand
Nach der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 begann die systematische Verfolgung derer, die als Juden klassifiziert wurden. Deutsch-jüdische Historiker und Historikerinnen waren dabei doppelt betroffen: Sie litten nicht nur unter der direkten Verfolgung, sondern standen auch vor der zusätzlichen Herausforderung, dass deutsche nicht-jüdische Historiker zunehmend versuchten, die Deutungshoheit über die jüdische Geschichtsschreibung an sich zu reißen. So auch Ismar Elbogen. 1934 veröffentlichte Wilhelm Grau, ein führender „Judenforscher“ im Nazi-Deutschland, sein Buch „Antisemitismus im späten Mittelalter: Das Ende der Regensburger Judengemeinde 1450-1519“. Dieses Werk, das zwischen sachlicher Beschreibung und antisemitischer Diffamierung schwankte, wurde von Elbogen und anderen jüdischen Historikern stark kritisiert. Elbogen verfasste 1935 eine Rezension zu Graus Buch, in der er kritisierte, dass Grau die Juden in Regensburg als fremdartig und unheimlich darstellte und dass dem Buch jede wissenschaftliche Objektivität fehle. Im darauffolgenden Jahr reagierte Grau mit einer negativen Beurteilung eines Werks von Elbogen, was die Spannungen zwischen den beiden Wissenschaftlern verschärfte.
Diese Auseinandersetzung illustriert nicht nur den Widerstand der jüdischen Historiker gegen die NS-Judenforschung, sondern auch Elbogens Mut, sich gegen führende NS-Judenforscher und deren unwissenschaftliche Werke zu stellen. In einer Zeit, in der eine gleichberechtigte wissenschaftliche Debatte bereits unmöglich war, zeigte Elbogen bemerkenswerten Mut, indem er sich öffentlich gegen Grau aussprach. 1938 sah sich Elbogen gezwungen, Deutschland zu verlassen, was ein Ende seiner direkten Auseinandersetzungen mit Grau markierte.
Elbogen emigrierte nach New York und versuchte seine Forschungen dort weiterzuführen. Ismar Elbogen starb 1943.
“Noch leben wir in einer Welt des Hasses und der Zerstörung; was Gewalt verschuldet hat, wird der Geist gutmachen. Durch wissenschaftliche Arbeit in erster Reihe werden die Gegensätze innerhalb der Völker gemildert, werden Brücken von Volk zu Volk geschlagen werden. An dieser messianischen Aufgabe kann und soll unsere Hochschule, wenn sie das jüdische Geistesleben der Jahrtausende zur Darstellung bringt und es würdig fortsetzt, tätig teilnehmen. Eine gewaltige Spanne trennt uns noch von der Verwirklichung dieses Ideals, doch das Ziel ist seit den Anfängen unserer Alma mater klar erfasst.”