Geboren in Berlin als Gerhard Scholem, wandte er sich früh dem Studium des Judentums und der hebräischen Sprache zu, was einen Bruch mit seinem säkularen und assimilierten Elternhaus bedeutete. Scholem begann seine akademische Laufbahn an der Universität Jena, wo er Mathematik und Philosophie studierte. Er wechselte jedoch bald an die Universität München, um sich intensiver auf Judaistik und orientalische Sprachen zu konzentrieren. Ab 1917 studierte Scholem an der Universität Berlin, wo er unter anderem bei dem berühmten jüdischen Philosophen Martin Buber studierte.
1923 emigrierte Scholem nach Palästina, das damals unter britischem Mandat stand, und engagierte sich in der zionistischen Bewegung. In Jerusalem setzte er seine Forschungen fort und trat 1925 der Hebräischen Universität bei. Dort widmete er sich der Erforschung der Kabbala, einer mystischen Tradition des Judentums, die bis dahin in der akademischen Welt weitgehend unbeachtet geblieben war.
Scholems Arbeit revolutionierte das Verständnis der jüdischen Mystik. Er argumentierte, dass die Kabbala ein integraler Bestandteil der jüdischen Geschichte und Kultur sei und nicht, wie bisher angenommen, eine marginale oder häretische Strömung. Seine Forschungen enthüllten die Komplexität und Tiefe der kabbalistischen Texte und Traditionen. Gershom Scholems Einfluss auf die Judaistik und die Erforschung der Kabbala ist unbestritten. Seine Arbeiten haben das moderne Verständnis des Judentums und seiner mystischen Traditionen nachhaltig geprägt und bleiben ein wesentlicher Bestandteil der jüdischen Studien.
Engagement für die Bewahrung jüdischer Kulturschätze
Gershom Scholem war auch maßgeblich an der Rettung jüdischer Kulturgüter beteiligt, die von den Nazis während des Zweiten Weltkriegs geraubt worden waren. Als einflussreiches Mitglied des „Komitees zur Rettung der Schätze der Diaspora“ (Otzroth haGolah), das im März 1944 an der Hebräischen Universität gegründet wurde, arbeitete er eng mit Persönlichkeiten wie Martin Buber, Ben-Zion Dinur, Gotthold Weil und Moshe David Cassuto zusammen. Das Komitee folgte dem Aufruf des Historikers Cecil Roth, der bereits im April 1943 die Bedeutung der “pidyon shvuyim” (Erlösung der Gefangenen) hervorhob, was auf die Überführung des von den Nazis gestohlenen jüdischen Kulturguts an die Hebräische Universität anspielte.
Zusätzlich war Scholem mit der „Kommission für den Wiederaufbau der europäisch-jüdischen Kultur“ (CEJCR) verbunden, die 1944 in New York gegründet wurde und ab April 1947 unter dem Namen „Jewish Cultural Reconstruction“ (JCR) bekannt wurde. Unter der Leitung von Salo Baron, einem der bedeutendsten jüdischen Historiker seiner Zeit, und mit Hannah Arendt als geschäftsführender Sekretärin, setzte sich die Organisation das Ziel, von den Nazis gestohlenes jüdisches Kulturgut in der amerikanischen Besatzungszone zu sammeln und für die jüdische Gemeinschaft zu beanspruchen, um es weltweit zwischen verschiedenen jüdischen Zentren aufzuteilen. Laut Plan verteilte die „Jewish Cultural Reconstruction“ am Ende ihrer Tätigkeit mehr als eine halbe Million Bücher an jüdische Institutionen und Gemeinden; vierzig Prozent dieser Bücher wurden durch „Die Schätze der Diaspora“ nach Israel gebracht. Scholem und die anderen Mitglieder des Komitees waren auch in Ländern des späteren Ostblocks, einschließlich der Tschechoslowakei und Polen, aktiv und brachten von dort viele tausend Bücher nach Jerusalem.