Während der zunehmenden Repressalien gegen jüdische Menschen unterstützte sie die Leiterin, Jenny Wilde, tatkräftig dabei, den Betrieb der Bibliothek aufrechtzuerhalten. Dieses Engagement gewährleistete, dass jüdische Leserinnen und Leser trotz der um sich greifenden Beschränkungen weiterhin Zugang zu Büchern hatten – was in jener Zeit alles andere als selbstverständlich war.
Über Adele Sperling ist kaum etwas bekannt. Eine Erinnerung an sie hat jedoch die Zeiten überdauert, auch wenn die genauen Umstände nicht bestätigt werden können: Damals wie heute ist es ein ungelöstes Rätsel, weshalb die Hochschule so lange bestehen konnte. Denn alle anderen wichtigen Rabbinerseminare im Deutschen Reich wurden bereits Ende 1938, nach dem Novemberpogrom, zum Schließen gezwungen. Nicht aber die Hochschule. Der Hochschule gelang es, ihren Betrieb bis zum Sommer 1942 aufrechtzuerhalten.
Wolfgang Hamburger zufolge, einem der letzten Studenten der Hochschule, sei es Adele Sperling zu verdanken, dass die Hochschule so viel länger aushalten konnte. In seinen Erinnerungen schreibt Hamburger über die Folgen des Novemberpogroms 1938:
„Auch wenn der reguläre akademische Betrieb an der Lehranstalt in den ersten Wochen nach den gewalttätigen Ereignissen der Nacht, in der die Synagogen niedergebrannt und jüdisches Eigentum zerstört wurden, eingestellt war, blieb die Bibliothek geöffnet. Die junge Assistentin Adele Sperling verrichtete ihre Arbeit im Lesesaal, als ein Gestapo-Beamter hereinkam und sich erkundigte, welche Art von Organisation das Gebäude beherbergte. Ihre Antwort, es handele sich um eine Schule, befriedigte ihn und er verließ das Gebäude wieder, denn das war die Zeit, in der überall im Land jüdische Schulen errichtet wurden, um die aus den öffentlichen Schulen vertriebenen jüdischen Schüler aufzunehmen. So erzählt man sich, dass die Unwissenheit eines Gestapo-Beamten und die vage Antwort der Bibliothekarin die Lehranstalt für einige weitere Jahre retteten.“
Das lange Bestehen der Hochschule bedeutete für die Mitarbeitenden einen temporären Schutz vor Deportation. Mit der Schließung der Hochschule im Sommer 1942 verloren Adele Sperling und ihre Kollegen diesen Schutz. Am 1. März 1943 wurde Adele Sperling im Zuge der sogenannten Fabrik-Aktion verhaftet, in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und ermordet. Die letzte ihr zugeschriebene Adresse war die Wohnung von Jenny Wilde, die die junge Kollegin bei sich aufgenommen hatte.